Die Plattform Menschenrechte fordert weiterhin: Armut bekämpfen, nicht die Armen!
Die Plattform Menschenrechte nimmt die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 28. Februar 2023 (E 954/2022-10) mit Bedauern zur Kenntnis.
„Wir haben die Beschwerde einer Frau unterstützt, die in Salzburg der stillen Bettelei nachging und dafür mit 100 Euro abgestraft wurde. Sie bettelte an einem Ort, der laut Bettelverbot in Salzburg nicht erlaubt war. Auf die genaueren Umstände -nämlich warum der Frau ihr Recht auf freie Meinungsäußerung an diesem konkreten Ort verwehrt werden darf – darauf ging der VfGH in seiner Entscheidung nicht ein. Er hat die Behandlung – mangels Erfolgsaussicht – abgelehnt.“ so Alina Kugler von der Plattform Menschenrechte Salzburg.
In der Entscheidung über das vorangegangene Bettelverbot, das vom VfGH zwei (!) Mal aufgehoben wurde, wurde klar definiert, dass stilles Betteln unter das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 EMRK fällt. Jeder Mensch darf öffentlich sagen: „Ich bin arm, bitte helft mir.“
Der VfGH hielt 2017 Folgendes fest: „Öffentlichen Orten (…) ist die Begegnung mit anderen Menschen immanent. Eine Störung der öffentlichen Ordnung kann (…) von der bloßen Anwesenheit einzelner Menschen an öffentlichen Orten, die um finanzielle Unterstützung werben ohne (…) aufdringliche oder aggressive Verhaltensweisen an den Tag zu legen, nicht ausgehen.“ Er formuliert weiter: „Dass derartige Mitteilungen als belästigend, ja unter Umständen auch als störend oder schockierend empfunden werden, ändert ebenso wenig etwas am grundsätzlichen Schutz derartiger kommunikativer Verhaltensweisen durch Artikel 10 EMRK (…) wie der Umstand, dass diese primär aus finanziellen Antrieben gesetzt werden.“
Für die Plattform Menschenrechte bedeutete dieses Erkenntnis 2017: In der Öffentlichkeit begegnen sich Menschen aus allen Lebenslagen, der öffentliche Raum muss für alle Menschen zugänglich und nutzbar sein. Stilles Betteln stellt keine Störung der öffentlichen Ordnung dar. Diese Mitteilung über die eigene Armut (das Betteln) kann von anderen belästigend empfunden werden, der Schutz der freien Meinungsäußerung als Europäisches Menschenrecht steht jedoch darüber.
Dass die Entscheidung vom Februar 2023 jetzt schon Forderungen nach mehr Strafen und Kontrolle seitens rechts-populistischer Politiker nach sich zieht, stellt für die Plattform Menschenrechte eine Verrohung im Umgang mit Menschen und deren Würde dar. Von Armut betroffene Menschen noch mehr unter Druck zu setzen, gesellschaftlich wie finanziell, löst keine Armut, sondern fördert Vorurteile, Diskriminierung und gesellschaftliche Spaltung. Das lehnt die Plattform Menschenrechte zutiefst ab.
Die Plattform Menschenrechte fordert eine konstruktive Zusammenarbeit im Umgang und mit notreisenden und bettelnden Menschen, wie das in den letzten Jahren in einigen Bereichen auch schon gelungen ist und dennoch einer stetigen Weiterentwicklung bedarf.
Wir von der Plattform Menschenrechte Salzburg werden uns weiterhin für die Rechte ALLER Menschen in der Stadt Salzburg einsetzen.