Einleitung:
Der Familiennachzug spielt eine bedeutende Rolle bei der Integration von Asylberechtigten. Durch die Wiedervereinigung mit ihren Familien können sich Asylberechtigte besser auf ihre Integration konzentrieren, was ihre psychische Stabilität fördert und ihre Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erleichtert. Zudem kann der Familiennachzug die Motivation erhöhen, Sprachkurse zu besuchen und eine Beschäftigung aufzunehmen, was die wirtschaftliche Unabhängigkeit fördert. Wenn es um die Anzahl der nachkommenden Familienangehörigen geht, sollten alle wissen, was einem Familiennachzug zugrunde liegt:
Asylverfahren:
Um Familienangehörige nach Österreich holen zu können, bedarf es eines positiven Asylbescheids. Auch Personen, die subsidiären Schutz erhalten, können Familienangehörige nachholen. Sie müssen höhere Voraussetzungen erfüllen. Die Person, die um Asyl ansucht, muss nachweisen, dass sie aus bestimmten Gründen im Herkunftsland verfolgt und mit Gefahr für Leib und Leben bedroht ist. Alle, die im Bereich des Asylwesens arbeiten, wissen, dass in den Asylverfahren gründlich geprüft wird, ob eine Verfolgung vorliegt und die Angst vor der Verfolgung begründet ist. Wir gehen davon aus, dass die involvierten Behörden sich an die geltenden Gesetze halten und gewissenhaft prüfen. Dementsprechend selten werden Asylverfahren positiv beendet.
Familiennachzug:
Wenn ein Mensch einen positiven Asylbescheid erhält, dann kann dieser Mensch innerhalb von drei Monaten einen Familiennachzug beantragen. Nach der dreimonatigen Frist ist ein Familiennachzug weiterhin möglich, nur müssen dann höhere Voraussetzungen erfüllt werden. Generell bedarf ein Antrag auf Familiennachzug vieler Dokumente und meist DNA-Tests zum Nachweis der Verwandtschaft. Nachgeholt werden können nur Ehepartner:in und minderjährige, unverheiratete Kinder. Minderjährige Asylwerbende mit positivem Asylbescheid können ihre eigenen Eltern (nicht aber die Großeltern) und minderjährige Geschwister nachholen.
Kernfamilie:
Wir reden beim Familiennachzug also von der eng gefassten Kernfamilie. In der Realität führt das zu schwierigen Entscheidungen: Familien müssen entscheiden, sich zu trennen. Eltern minderjähriger Geflüchteter kommen teilweise nicht nach, weil sie die bereits volljährigen Geschwister oder die eigenen, alten Eltern nicht allein lassen können. Ehepartner:innen kommen aus den gleichen Gründen nicht nach oder teilen sich dann auf verschiedene Länder mit den unterschiedlich alten Kindern auf. Das sind schmerzhafte Momente für Familien. Die meisten Menschen, die mittels Familiennachzug nach Österreich einreisen, sind Frauen und Kinder, also Menschen besonders verletzlicher Gruppen. Diese Menschen werden von ihren Ehepartnern und Vätern getrennt und verbleiben in Regionen, die als nicht sicher genug für eine Rückkehr ebendieser Väter und Ehepartner festgestellt wurden. Bei einem Stopp des Familiennachzugs bleiben sie also in Kriegs- und Krisengebieten.
Rechtliche Grundlagen:
Gleichzeitig hält Österreich mit den bisherigen Regelungen zum Familiennachzug an geltendem Recht fest. Artikel 8 der EMRK schreibt die Achtung des Privat- und Familienlebens fest. Artikel 1 und 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern sowie Artikel 16 und 22 der UN-Konvention über die Rechte von Kindern sichern jedem Kind, auch geflüchteten Kindern, Schutz, Fürsorge und eine regelmäßige, persönliche Beziehung zu beiden Elternteilen zu. Das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern wurde 2011 in den Verfassungsrang gehoben. Bei einem Stopp des Familiennachzugs ist anzumerken, dass geltendes Recht auf nationaler und auf EU-Ebene absichtlich missachtet wird und eine weitere Verurteilung Österreichs zur Folge haben kann.
Schulische Versorgung:
Wenn es um die Entlastung von Wiener Schulen geht, dann sprechen wir erstens über eine bessere schulische Versorgung im Großraum Wien und zweitens über eine gerechtere Verteilung mit entsprechender Infrastruktur ankommender Geflüchteter in Österreich. Dies könnte durch eine Angleichung der neun verschiedenen Auslegungen der Grundversorgung geschehen – im Gegensatz zum anscheinend bestehenden Wettkampf der Bundesländer hin zur schlechtest möglichen Auslegung von Mindeststandards. In den letzten Jahren wurde es versäumt, die Unterstützungsleistungen innerhalb Österreichs anzugleichen und auf diese Art eine Verteilung zu gewährleisten.
Appell:
Die Plattform für Menschenrechte mit ihren Mitgliedsorganisationen ruft die Bundesregierung dazu auf, die Pläne zum Stopp des Familiennachzugs auszusetzen und den Kampf um gerechtere Verteilung nicht zu Lasten von Familienangehörigen zu führen. Menschengruppen zu stigmatisieren, weil es unter ihnen auch Kriminelle, ja auch Attentäter gibt, ist nicht sinnvoll. Darauf haben wir in unserem offenen Brief vom 25.02.2025 (bzgl. der „anlasslosen Massenüberprüfungen“) bereits hingewiesen. Die Frage stellt sich, warum Menschen abgeschoben werden, die gut integriert und eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sind, und andere hingegen, die bereits amtsbekannt sind, weiter hier sind. Es gibt also viele Baustellen, die bearbeitet werden müssen. Das Allheilmittel ist sicher nicht, den Familiennachzug zu stoppen. Wir und viele Menschen in Österreich erwarten, dass politische Entscheidungen auf Basis bestehender Gesetze beschlossen werden, die keine Menschenrechte verletzen und die ein gedeihliches Miteinander aller in Österreich lebenden Menschen ermöglichen.
Hinweis:
Durch die vielen eingeleiteten Aberkennungsverfahren bei syrischen Asylberechtigten sind Familienzusammenführungen eigentlich schon gestoppt.In allen anhängigen Familienverfahren von Syrer:innen wurde ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet und somit die Möglichkeit des Familiennachzugs bereits genommen. Die Anträge werden derzeit alle abgelehnt.
Informationen:
Ausdrücklich wollen wir auf die ausführliche Darstellung der Asylkoordination rund um das Thema Familiennachzug hinweisen.
Hier gibt es Informationen zum Ablauf eines Familiennachzugs:
🔗 https://www.asyl.at/de/wir-informieren/kompakt/familienzusammenfuehrung/
Und hier gibt es Zahlen zum Familiennachzug:
🔗 https://bsky.app/profile/lukasgg.bsky.social/post/3lj4lehlojs2j